7.5 Kreatinin

Physiologie und Pathophysiologie

Kreatinin, Molmasse 113,1, Summenformel: C4H7N3O, entsteht durch irreversible Umwandlung aus Kreatin. Etwa 1 – 2 % des Kreatin-Pools werden so täglich in Kreatinin umgewandelt, damit für den Körper unbrauchbar und mit dem Harn (fast ausschließlich durch glomeruläre Filtration) ausgeschieden. Kälber (und auch Neugeborene einiger anderer Spezies) kommen mit deutlich höherem Kreatinin-Blutspiegel auf die Welt, der im Verlauf von etwa einer Woche in den für den Rest des Lebens gültigen Bereich absinkt. Darüber, wie die Tatsache der hohen Blutspiegel zum Zeitpunkt der Geburt zu interpretieren ist, gehen die Meinungen auseinander. Manche Autoren interpretieren dieses Phänomen als Ausdruck von Eingeschränkung mit nachfolgendem reifungsbedingtem Anstieg der GFR, andere als Abfluten einer pränatalen Ansammlung von Kreatinin.

Da die Rate der Ausscheidung von Kreatinin hinreichend konstant, also unabhängig von der Harnkonzentration oder –verdünnung ist, kann durch Bezug der im Harn gemessenen Konzentrationen anderer Substanzen auf Kreatinin der Effekt von Unterschieden in der Harnkonzentration rechnerisch ausgeglichen werden.

Beispiel: Wenn die GGT-Aktivität im Harn einmal mit 50 U/L und später mit 35 U/L gemessen wird, so kann daraus nicht ohne weiteres auf einen Rückgang des Austritte von GGT aus geschädigten Tubuluszellen geschlossen werden, denn es könnte sein, dass die zweite Messung in einer Phase mit hoher Harnflussrate (und entsprechend starker Verdünnung des Harns) erfolgt ist. So könnte der Bezug auf Kreatinin denn auch im ersten Fall 10 U GGT/mmol Kr (Kreatininkonzentration im Harn 5 mmol/L, was einer Konzentrierung gegenüber dem Plasma um den Faktor 50 bedeutet, also nur 2 % des Volumens des Primärharns als Endharn erscheinen), im zweiten Fall aber 25 U GGT/mmol (Kreatininkonzentration im Harn 1,4 mmol/L).


7.5.Zusammenhang zwischen glomerulärer Filtrationsrate (GFR) und Kreatinin-Plasmaspiegel

Wenn Kreatinin in konstanter Rate (in Masse pro Zeiteinheit) aus den Körperzellen freigesetzt und ausschließlich über glomeruläre Filtration ausgeschieden wird, entspricht die pro Zeiteinheit mit dem Harn ausgeschiedene Masse der in der gleichen Zeit endogen produzierten Masse, ist also konstant. Die Clearance von Kreatinin entspricht unter diesen Umständen der GFR.

Die in der Zeiteinheit (z. B. in einer Minute) mit dem Harn ausgeschiedene Masse Kreatinin errechnet sich aus dem Produkt des Harnminutenvolumen (HMV) und der Kreatininkonzentration im Harn (UKr): HMV*UKr. Sie wird als (hinreichend) konstant angenommen.

Die in der Zeiteinheit (hier: Minute) glomerulär filtrierte Masse Kreatinin errechnet sich aus dem Produkt der GFR und der Kreatininkonzentration im Plasma (PKr): GFR*PKr.

Wie oben dargelegt, entspricht die GFR der Kreatininclearance (CKr). Daher lässt sich GFR durch CKr ersetzen. Die Formel für die Kreatininclearance lautet: CKr = UKr*HMV/PKr. Wenn diese Gleichung mit PKr multipliziert wird, ergibt sich CKr*PKr = UKr*HMV.

Da die rechte Seite der Gleichung konstant ist (s.o.), ergibt sich CKr*PKr = konstant.

Das Schaubild dieser Funktion ist eine Hyperbel.

Zur Veranschaulichung: eine konstante Fläche kann durch Rechtecke unterschiedlicher Seitenlängen dargestellt werden. Die Fläche entspricht im obigen Beispiel der pro Zeiteinheit endogen freigesetzten oder mit dem Harn ausgeschiedenen Masse an Kreatinin.

Aus dem Schaubild lassen sich einige klinisch relevante Aspekte ableiten. PKr steigt bei Einschränkung der GFR zunächst sehr langsam an, sodass die Obergrenze des Referenzbereichs (gepunktete Linie) erst relativ spät durchbrochen wird. Diese Tatsache wird von manchen Autoren als „kreatininblinder Bereich der Einschränkung der GFR“ bezeichnet, von anderen als Hinweis auf Funktionsreserven der Nieren interpretiert. Betrachtet man jedoch die Kurve, wird klar, dass jede Einschränkung der GFR mit Erhöhung von PKr verbunden ist. Die Feststellung von geringfügigen Erhöhungen von PKr setzt jedoch Kenntnis des vorausgegangenen Wertes einerseits und hohe Präzision der Bestimmung andererseits voraus. Der „kreatininblinde Bereich“ kommt dadurch zustande, dass die Obergrenze des Referenzbereichs statistischer Natur ist und auf der Messung der Werte vieler Individuen (deren individuelle Referenzbereiche eine gewisse Streuung zeigen) beruht.

Sinkt die GFR von 3 auf 1,5 ml/min/kg, also auf die Hälfte, steigt PKr so lange an, bis die pro Zeiteinheit endogen freigesetzte Masse an Kreatinin mit der Hälfte an Plasma angeliefert wird, also auf das Doppelte der ursprünglichen Konzentration. Dann ist ein neues Gleichgewicht erreicht.

Es ist zu berücksichtigen, dass PKr nicht nur durch Schwankungen der GFR, sondern auch durch Veränderungen des Verteilungsraums von Kreatinin (zum Beispiel durch Dehydratation) beeinflusst wird